Ein Tag an Bord

Ich liege im Schatten der Genua auf dem Bug unserer Atlantis, eine Dehlya 25, und döse vor mich hin. Warten auf Wind. Sachte streichelt mir die Genua über den Rücken, ein leichter Lufthauch umstreicht meinen Körper, ich blinzele über den Bug in das glitzernde Wasser, kleine gekräuselte Teppiche auf dem See künden den Wind an.

Mit leichtem zupfen an den Schoten versuchen wir den Wind einzufangen, die Segel blähen leicht auf, noch das Achterstak etwas dichter holen um dem Großsegel mehr Profil zu geben. Jetzt haben wir ihn, wir haben den Wind in unseren Segeln gefangen und unsere Atlantis gleitet lautlos über den See. Es ist ganz still, auch wir sprechen kein Wort. Ganz kleine Wellen gehen fächerförmig vom Bug aus und ab und zu schieben sich kleine Luftblasen am Rumpf vorbei.

Ein leises plätschern am Bug verrät uns, dass unser Boot Fahrt aufnimmt und sich mit ca. zwei Knoten über den See bewegt. Wo segeln wir eigentlich hin? Keine Ahnung, wir segeln dahin wo uns der Wind hintreibt. Wir sitzen im Cockpit und genießen diese Freiheit mit dem Wind über den See getragen zu werden, keiner Verpflichtung nachkommen zu müssen und dem Stress des Alltages einfach zu entfliehen.

Das leise plätschern am Bug ist mittlerweile zu einem leisen rauschen geworden, das mit jeder Welle deutlich zu hören ist. Auch am Heck fängt es leise zu gurgeln an. So macht segeln Spaß.

Vor uns segelt ein Boot, das der Größe unserer Atlantis entspricht. Kriegen wir den? Jetzt nur nichts falsch machen, die Wollfäden im Vorsegel fest im Blick und nicht zu weit abfallen oder anluven. Langsam schieben wir uns an das andere Boot heran und überlegen auf welcher Seite wir überholen. In Lee oder Luv. Lee ist schwierig, da kommen wir in seine Abdeckung und Luv? Höher an den Wind kommen wir auch nicht, der segelt schon ganz hoch am Wind. Also aufkreuzen und noch mal probieren? Während wir noch überlegen, fällt das andere Boot ab und geht auf einen Raumschotkurs. Also in die Richtung wollen wir nicht, wir winken dem Segler noch mal freundlich zu und behalten unseren Kurs bei.

Wir segeln mittlerweile unter Land, der Wind hat nachgelassen und wir bereiten uns auf eine Wende vor. „Klar zur Wende“, „ist klar“, und „über die Segel“. Kurz backhalten des Vorsegels während das Schiff durch den Wind geht, dann werfe ich die Fockschot los und hole sie in Lee wieder dicht. Aber nichts geht mehr, was ist los? Die Segler um uns herum haben das gleiche Problem, die Segel hängen ohne Profil runter und der Windex im Top fährt Karussell. Wir sind in einem Flautenloch gelandet und dümpeln so vor uns hin. In weiterer Entfernung sehen wir, dass dort das Wasser sich dunkel färbt, auch nehmen dort die Boote wieder Fahrt auf. Da kommt wieder Wind, langsam schiebt sich diese Front auf uns zu. Plötzlich, die Atlantis krängt bis 25 Grad, der Wind reißt sie nach vorne und wir rauschen mit sechs Knoten über den See. Immer wieder einfallende Böen gestalten den so gemütlich angefangenen Törn zur Gymnastikstunde, bei 35 Grad Krängung stützen wir uns mit den Füßen auf der gegenüberliegenden Sitzbank ab, fast im Schiff stehend versuchen wir so viel wie möglich Gewicht auf die hohe Kante zu bringen um die Atlantis wieder aufzurichten.

Und wieder eine Böe, ich sehe sie ganz deutlich auf uns zukommen, dort ist das Wasser dunkler gefärbt und die Wasseroberfläche stärker gekräuselt, dann ergreift sie das Schiff, es neigt sich zur Seite, der Krängungsmesser geht bis zum Anschlag, der Geschwindigkeitsmesser zeigt sieben Knoten an, die Rehlingsstützen werden vom Wasser umspült, die Achterlieks der Segel fangen an zu flattern und der Ruderdruck steigt erheblich an, die Atlantis will in den Wind, aber wir lassen sie nicht.

Da so zu segeln ziemlich anstrengend ist, entschließen wir uns ein Reff einzubinden. Bei Saisonstart oft genug geübt: Großsegel bis zur Markierung auf dem Fall einholen, Großschot und Niederholer öffnen, Reffleine durchsetzen und mit den Reffbändeln den gerefften Teil des Segels auf den Baum binden. Großschot und Niederholer wieder dichtholen. Hat geklappt, geübt ist halt geübt.

Mit gerefftem Segel läuft die Atlantis immer noch sechs Knoten, aber krängt nicht mehr so stark. So kommen wir zügig voran und erreichen den Hafen, den wir für die Übernachtung ausgewählt haben, am späten Nachmittag. Ein paar hundert Meter vor der Hafeneinfahrt bergen wir die Segel, machen klar Schiff und laufen unter Motor in den Hafen ein. Nach etwas suchen finden wir einen freien Gastplatz, in dem wir unsere Atlantis festmachen.

So ein Segeltag macht hungrig, heute Abend gibt es Lammkotelett mit frischen Bohnen und Kartoffeln. Wir bereiten gemeinsam das Abendessen vor und lassen es uns im Cockpit schmecken, begleitet von so manchem neidischen Blick unserer Bootsnachbarn (in die Wirtschaft gehen kann jeder, grins). Wir kommen ins Gespräch und quatschen über das zur Zeit herrschende tolle Segelwetter und alles mögliche. Genießen wieder einen sehr schönen Sonnenuntergang und kriechen spät abends müde aber glücklich in unsere Vorschiffskojen. Die Geschehnisse des Tages kreisen noch mal durch den Kopf und ein leichter Wellengang wiegt uns in den Schlaf.

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