Die Grundregeln beim Segelsport

Ich bin gebeten worden, die Geheimnisse der Regelkunde im Segelsport mit einfachen Worten bekannt zu geben, damit jeder Anfänger schnell mal nachschauen kann und sofort über alle Feinheiten informiert ist.

Bedauerlicherweise ist dies ein Unterfangen, welches in die Welt der Sciencefiction gehört. Wer einmal das komplette Regelwerk der nationalen und internationalen Seglerverbände gesehen hat, wird die allseits gefürchtete deutsche Gesetzesflut für einen idyllischen kleinen Teich halten.

Deshalb gilt der Grundsatz: „Weniger ist mehr!“

Hier also eine knappe Übersicht einiger elementarer Grundlagen. Die elementarste steht wie immer am Schluss. Geht nett miteinander um und nehmt Rücksicht. Segeln ist kein Kampfsport, nicht mal, wenn Regatten gelegentlich als Wettkämpfe betitelt werden. Es sind allenfalls Wettfahrten!

Also:

§ Backbordbug vor Steuerbordbug:

regel1

Das ist die 1. Grundregel: Auf Backbordbug ist ein Boot, wenn der Wind von Steuerbord (= rechte Bootsseite / = mit Wind von Steuerbord) kommt und der Großbaum auf die Backbordseite (= linke Bootseite) zeigt. Auf Steuerbordbug segelt ein Boot, wenn der Wind dagegen von der Backbordseite (linke Bootsseite / mit Wind von Backbord) kommt und der Großbaum entsprechend nach Steuerbord (rechte Bootsseite) zeigt. Nähern sich zwei Boote auf entgegengesetzten Kursen, so muss das mit Steuerbordbug segelnde Boot ausweichen bzw. Raum (= Platz) geben.

Es gilt hier immer die Stellung des Großbaumes in Fahrtrichtung gesehen !

§ Lee vor Luv:

regel2

Wenn Boote auf dem gleichen Bug segeln, gilt diese 2. Grundregel. Also für Boote, bei denen der Wind von der gleichen Seite kommt und deren Großbäume beide auf der gleichen Seite stehen. Das dem Wind näher stehende Luvboot ist gegenüber dem Leeboot ausweichpflichtig bzw. muss Raum geben.

Hier muss man sich vorstellen, am Rand eines Segelbeckens wäre ein Ventilator = Windursprung. Von einer gedachten Linie auf dem Wasser aus gesehen ist Lee die dem Wind abgewandte/abgedeckte hintere Seite (in die der Wind bläst), Luv ist die dem Wind zugewandte, vordere Seite (aus der der Wind herkommt) Das Leeboot ist also dasjenige Boot, das stets weiter vom Ventilator/Windursprung entfernt segelt, als eben das Luvboot, das immer relativ näher am Ursprung des Windes segelt und den Wind auch ungestört bekommt. Das Leeboot kann daher vom Luvboot abgedeckt und damit behindert werden. Und deshalb ist auch das Luvboot ausweichpflichtig, weil es ungestörter im Wind segeln/steuern kann.

§ A) Bojenrunden auf unterschiedlichem Bug:

Beim Annähern bzw. Runden einer Boje gilt als Wegerecht zunächst immer Backbordbug vor Steuerbordbug!

Es gilt nicht, wer vermeintlich zuerst da ist, erhält Platz zum Runden der Boje! Auch wenn ein Steuerbordbug-Boot zuerst zum Runden ansetzen will und es kommt ein klein wenig später noch ein Backbordbug segelndes Boot dazu, dann hat trotzdem das Backbordbug-Boot Vorfahrt!

Steuerbordbug-Boot muss also in so einem Fall erstmal schauen, wie sich die anderen Boot näheren und diese muss es ggfs. durchlassen, z.B. indem es wegwendet/halst und einen späteren Anlauf macht.

Die Taktik fürs Bojenrunden lautet daher auch: Immer mit Backbordbug ankommen und ggfs. dann freundlich Raum verlangen.

§ B) Bojenrunden auf gleichem Bug / überlappend:

Segeln dagegen beide/alle Boote auf gleichem Bug mehr oder weniger nebeneinander / überlappend zur Boje (z.B. meist auf dem Halb- bzw. Vor-Wind Strecken, manchmal aber auch an der Kreuz), dann gilt, dass das zur Boje näher liegende Boot (das sog. innenliegende Boot) Vorfahrt hat.

Das oder die außen liegenden Boote müssen dem jeweils innenliegenden Boot dann genug Raum/Platz zum problemlosen Runden der Boje geben.

Problemlos Runden heißt, dass das Innenboot nicht auf die Boje gedrückt wird! Es darf sogar ggfs. einen kleinen Schlenker nach außen machen, um die Boje korrekt und berührungslos zu runden und nicht an der Boje hängen zu bleiben.

Also lautet hier die taktische Weisheit: Rechtzeitig vorher auf die Innenposition segeln und ggfs. dann freundlich Raum verlangen.

§ Kursänderungen:

Für alle Arten von Kursänderungen gilt: Sie dürfen nie so erfolgen, dass andere Boote davon überrascht werden!

Das gilt z.B. für ein Steuerbordbug-Boot, das kurzerhand auf den vermeintlich sicheren Backbordbug wendet und nun bereits im Moment des Wendens glaubt, dann Wegerecht zu haben. Auch z.B. ein zunächst auf Backbordbug segelndes Boot darf nicht einfach ruck zuck wenden, wenn es dadurch dann im unmittelbaren Anschluss ein anderes Boot behindert, auch nicht, wenn es vermeintlich vorne lag.

Das ist z. B. auch beim sog. Luvkampf der Fall: Zwei Boote segeln nebeneinander z. B. auf halbem Wind. Das Leeboot hat jetzt zwar Wegerecht und darf Platz verlangen (s. Lee vor Luv), es darf aber nicht einfach ohne Warnung zur Wende ansetzen oder einfach ruck zuck mal eben anluven (d.h. also das Boot in den Wind drehen) und das Luvboot dabei quasi abschießen. Das Luvboot muss sich aber stets vom Leeboot freihalten und wenn das Leeboot zur Wende oder zu mehr Platz auffordert, bzw. auch langsam zum Luven ansetzt, muss es entweder wenden oder aber weiter weg segeln, z.B. ebenfalls durch anluven

Das Ausluven bzw. der Luvkampf ist eigentlich eine Verteidigungstaktik, um ein in Luv fahrendes Boot am Überholen zu hindern. Man spricht hier auch von einer sog. sicheren Leestellung, aus der man luvwärtige Boote kontrollieren kann. Im direkten Beisein von anderen Booten darf man auch keine abrupten Schlenker o.ä. fahren, sondern ist kurshaltepflichtig.

§ Kollisionen:

Sind zu vermeiden, d.h. auch vorfahrtsberechtigte Boote sollen ausweichen, wenn der/die anderen Boote erkennbar und trotz Warnruf nicht reagieren.

§ Entlastung:

Nach einer Behinderung / Wegerechtsverletzung soll ein Boot in fairer Weise einen oder zwei Vollkreise (Kringel = 360°/720°), je nach Regattavereinbarung, drehen, um sich so für den Fehler zu entschuldigen.

Das Kringeldrehen kann jeden einmal treffen, und man sollte es als Zeichen der Fairness und Wertschätzung der Mitsegler sehen und auch entsprechend anstandslos ausführen. Dazu sollte man aber nun nicht mitten im Bootspulk die Kringelei starten, denn damit behindert man sicher andere und sich selbst erneut. Man sucht sich also ein etwas ruhigeres Eckchen, dreht/ kringelt/wendet in aller Ruhe (trotz einem Regatta-Herzschlag von 190) und fährt dann wieder weiter.

Wer beim Kringeln, bei dem man übrigens grundsätzlich keinerlei Wegerechte hat, wiederum andere behindert, der darf dann eben noch mal anfangen, plus neue Kringel für den neuen Fehler…

All dies und noch viel mehr werden wir künftig interessierten Residents in unseren Segelkursen im Seglerstützpunkt auf Tiga vermitteln. Natürlich wird dabei alles anschaulich mit Bildern von fachkundigem Personal erklärt und anschließend in ausführlichen Übungen geprobt.

Angebote werden sowohl für Anfänger wie auch für fortgeschrittene SL-Segler vorhanden sein, die noch den einen oder anderen Kniff der Profis lernen möchten.

Ein Gedanke zu „Die Grundregeln beim Segelsport

  1. haste prima erklärt. Wenn die allerschlimmste „Freibeuter“-Hobbyskipper sich BB-Bug und Lee vor Luv merken könnten, wäre ich der glücklichste Segler (Segelscheininhaber) der Bundesrepublik und nicht ständig gezwungen, mich von sogenannten Wassersportlern frei zu halten um die Außenhaut meines 15ers zu sichern.

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